Am 25.12.2006 war es wieder soweit. Ich sollte wieder in die Arktis fahren. Diesmal nach Spitzbergen, etwa 1.200km nördlich des Nordpolarkreises und rund 1.300km südlich des geografischen und etwa 600 km süd-westlich des magnetischen Nordpols.
Spitzbergen, bzw. genaugenommen heisst es Svalbard, gehört nicht so wirklich zu einem Land. Wer auf Svalbard seinen Claim zum Kohleabbau absteckt, dem „gehört“ das Land.
Allerdings haben Russland, USA und Norwegen schon ihre Claims abgesteckt, wobei die USA wieder weggegangen sind. Der Kohleabbau ist zu mühsam und teuer im Permafrostboden.
Somit gehört Svalbard zu Norwegen und Russland und daher findet man auf der Landkarte auch Sibirien auf den Inseln.
Und damit nicht jemand anders die Kohlevorräte streitig machen kann, wurden kurzerhand etwa 90% der Gesamtfläche als Naturschutzgebiet ausgewiesen.
Ich habe Svalbard unter Norwegen abgelegt, weil Norwegen sich der Verwaltung verschrieben hat und der Gouverneur von Svalbard auch für die sibirischen Siedlungen verantwortlich zeichnet.
Diesmal startete die Reise von Frankfurt am Main
Der Flug mit SAS ging über Oslo, wo ich übernachten musste.
Hier ging die Sonne dann für mich das erste mal unter.
Doch im Radisson SAS Hotel am Flughafen Oslo hatte es tagsüber gebrannt und alle Gäste wurden evakuiert.
Wir wurden in ein anderes Hotel ausgelagert und das Radisson spendierte noch ein ausgiebiges Dinner.
Morgens früh um gegen 0900 startete dann der Weiterflug mit SAS Braathens von Oslo nach TromsØ.
Hier ging morgens die Sonne schon auf, aber sehr bald wieder unter.
Denn TromsØ liegt schon mitten im Nordpolarkreis.
Allerdings waren es nur um 0 Grad und Schneeregen, so dass vor dem Start erstmal
De-Icing angesagt war.
Aber die Sonne geht bald wieder auf, nämlich wenn wir die Flughöhe erreicht haben.
Dann aber geht sie wieder unter und für mich auch fast eine Woche nicht mehr auf.
Dann kommen wir endlich am Flughafen Longyear an.
Wenigstens war das Flugzeug schön leer.
Die arktische Nacht kannte ich ja schon aber so dunkel hatte ich bisher nicht erlebt.
Gates gibt es auf Arktisflughäfen nicht, also die Treppe runter und ins Terminal rein.
Und das erste, was man sieht, ist ein ausgestopfter Eisbär.
Und ausserdem jede Menge Warnhinweise über die Gefahren auf Spitzbergen.
Das es schnelle Wetterumschwünge geben kann, dass Walrösser kleine Boote angreifen können, dass Gletscher
unvorbereitet kalben können usw.
Ich denke, wenn jemand in der Arktis Urlaub machen will, dann sollte er sich vorher gut über die
Gegebenheiten informieren.
Nachdem das Gepäck da war, ging es dann raus. Das erste mal seit einem Jahr wieder Arktisluft schnuppern.
Tja…und dann kam der erste Schreck.
Ich wusste, dass das Hotel Basecamp eben das ist, wie der Name schon sagt, ein Basislager.
Das sind die Zimmer
Am Eingang ist natürlich ein Hundeschlitten geparkt
Im Nachhinein wird sich das Basecamp aber als schöne Unterkunft herausstellen.
Supernette Leute dort, die sich wirklich ganz toll um die Wünsche der Gäste kümmern.
Ok, volles Programm war angesagt. Erstmal umherlaufen, dann Scooter (Schneemobil) und Gewehr
mit Patronen mieten. Das klappte alles Problemlos, ausser, dass die Öffnungszeiten der Läden
doch sehr gewöhnungsbedürftig waren. Die meisten Geschäfte öffnen um 10 um dann um 14 Uhr wieder zu schliessen.
Und dann … sah ich die erste Bank meines Lebens, die ausdrücklich mittels angebrachter Schilder das mitführen von Schusswaffen verbietet.
Ja, und schräg gegenüber der Schuhladen wollte dem nicht nachstehen:
It is prohibited to carry loaded weapons within the settlement of Longyearbyen
A weapon is regarded as loaded when there are cartridges in the cartridge clip or the chamber.
Weapon may never be carried in shops, cafes, offices etc.
Violation of this regulation will be prosecuted.
Ja, dann weiss ich also bescheid.
Nun gut, ich lade mein Gewehr grundsätzlich ausserhalb der Stadt und entlade es dann auch dort wieder.
Niemals gehe ich mit einem durchgeladenen Gewehr innerhalb der Stadt.
Auch wenn Eisbären durchaus regelmässig direkt in der Stadt auftauchen, mir ist die Gefahr zu gross, dass
aus versehen ein Schuss beim entladen losgeht.
Ausserdem läuft jeder mit einer Schusswaffe durch die Gegend, das ist dort so selbstverständlich, wie
in Deutschland jeder mit einem Handy durch die Gegend läuft. Es nimmt nur dann jemand Notiz davon,
wenn einer übermässig damit rumspielt.
Ausserdem hatte ich draussen immer ein Jagdmesser (40 cm Klinge) am Gürtel. In Deutschland würde mich
die Polizei innerhalb von Minuten anhalten doch dort sind Waffen überlebensnotwendig.
Wenn jetzt einer meint, man hätte mit einem Messer keine Chance gegen einen Eisbären, dem kann ich sagen,
dass man ebensowenig eine Chance mit einem Gewehr hat.
Zur Zeit ist dort arktischer Winter und es ist stockfinster. Einen Eisbären sieht man, wenn man Glück hat,
auf 5 Meter Entfernung. Frühestens. Das Gewehr ist nur ein Rettungsanker für die Selbstverteidigung.
Oder um andere zu schützen.
Eisbären sind unglaublich schnell. Man erklärte mir, dass ein 100kg Mann im Verhältnis zu einem 100kg Eisbär
um den Faktor 8 unterlegen ist. Und ein Eisbär hat 400 bis 700kg Lebendgewicht.
Normalerweise greifen Eisbären aber keine Menschen an. Nur junge, unerfahrene Bären machen das hin und wieder.
Wie beruhigend.
Wer hier sein Gewehr noch nicht geladen hat, ist selbst schuld!
Zur anderen Seite sieht es so aus:
Irgendwann nach 2 bis 3 km taucht die erste von etlichen Forschungsstationen auf.
Hier eine der Universitäten TromsØ und Alaska.
Und dann drehte ich irgendwann wieder um, kam um einen Zaun herum und plötzlich standen
da irgendwelche Viecher. Mitten in der Stadt. Um haaresbreite hätte ich eines davon überfahren
oder wohl besser angefahren. Nicht, dass die sich auch nur einen Meter bewegt hätten.
Ich wusste so überhaupt nicht, was das war. Also hielt ich an und machte Fotos.
Die Tiere waren davon gänzlich unbeeindruckt.
Sie stellten sich nachher als Rentiere heraus, die auf Spitzbergen kleiner und viel kompakter
sind als ihre Artgenossen in Norwegen.
Die laufen in den Städten dort rum wie Tauben in Deutschland in den Innenstädten.
Am 28.12.2006 bin ich dann mal in die andere Richtung gefahren. Das Tal in Longyear rauf zum
Longyearbreen Gletscher. Ein Aufstieg von rund 1.000 Höhenmeter und 18km Entfernung.
Unterwegs kam ich an der Christmas-Mine vorbei, die eigentlich „Gruve 2“ heisst.
(Auf Svalbard wird Kohle abgebaut.)
Darunter sind die Häuser des Arbeiterviertels Nybyen zu sehen.
Ein Minenarbeiter verdient hier etwa 500.000 Kronen (ohne Überstunden) was umgerechnet etwa
63.000 Euro sind. Es wird eine Woche gearbeitet, 12 Stunden am Tag, danach eine Woche frei.
Ausserdem gibts 9 Wochen Urlaub im Jahr und kostenlose Nutzung aller öffentlicher Einrichtungen wie etwa
Schwimmhalle oder Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.
Und jedes Jahr zwischen 3.000 und 15.000 Euro Prämie.
Und nun frage ich mich, wieso finden die Minengesellschaften keine Arbeiter?
Blick von Nybyen nach Longyearbyen.
Blick über Nybyen nach Longyearbyen
Und dann war ich oben. Am Ende des Gletschers.
Unterwegs kam mir noch eine Polizeipatroullie entgegen, die mit einem ultracoolen Kettenfahrzeug
auf Streife waren. Die Polizisten heissen hier übrigens Sysselmannen.
Das ist leider das beste Bild. Es war wirklich stockdunkel und man konnte die Hand vor Augen nicht sehen.
Lange aufhalten wollte ich mich auch nicht, da mir nicht ganz wohl da oben war.
Überall konnte man Schritte irgendwelcher Tiere hören (vermutlich Rentiere aber nur vermutlich).
Dazu ein steifer Wind (wer mal in der Arktis war, weiss, wie sich dort so ein Wind anhört, dieses pfeiffen).
Ausserdem kullerten überall Eisbrocken herunter, die ebenfalls Geräusche verursachten.
Und wenn Du weisst, dass hier potentiell Eisbären sein können und Du einen Eisbären nichtmal auf zwei
Meter Entferung sehen kannst, auf der einen Seite ein Steilhang ist und Du überhaupt ein richtiges Problem
hast, wenn irgendwas passiert, dann gehts Dir gar nicht gut.
Und ich war alleine!
Erst vor wenigen Wochen hatten sie hier oben einen Touristen geborgen, der mit seinem Scooter gestürzt war.
Er fand nicht den richtigen Weg zurück und hatte zudem nicht die richtige Kleidung an.
Als man ihn fand, hatte er eine Körpertemperatur von 24 Grad. Eine Stunde später und er wäre nicht mehr am leben.
Meine Kleidung war zwar besser, ich könnte die Nacht über problemlos hier oben bleiben aber man muss sowas nicht wirklich haben.
Und nun einige Impressionen von Longyearbyen
Coal Shifting Station
Coal Shifting Station
At the Coal Shifting Station
Schweres Gerät beim Winterdienst in der Arktis.
Das einzige Tageslicht kommt hier vom Mond.
Und hier einige Bilder von den Dogyards, etwa 20km von Longyearbyen weg.
Hier hatte ich dann das zweite richtige Abenteuer.
Kurz bevor ich dort ankam, verreckte der Motor meines Scooters und war nicht mehr zum starten zu bewegen.
Ich hatte Zündkerzen gewechselt, aber er soff immer wieder ab. Klar, es kam kein Zündfunke.
Also den Rucksack auf den Rücken, das Gewehr durchgeladen, entsichert und in Vorhalte.
In der anderen Hand die Taschenlampe und los gehts. Knapp 20km durch starken Wind mit Schneewehen in völliger Dunkelheit zurück zu Stadt.
Es ist ernüchternd, wenn Du läufst und läufst und läufst und die Stadt kommt einfach nicht näher.
Kurz vor der Stadt kam dann endlich ein Einwohner auf seinem Scooter vorbei, der mich mitnahm.
Er fragte mich, ob ich zum Hotel wollte, klar wollte ich das. Also fuhr er mich zum Hotel, stieg ab, sagte „Here we are“ und ging weg. Komischer Kauz aber irgendwie cool.
Danach sind wir mit dem Auto zurück um den Scooter zu reparieren. Der Scout nahm mich mit, der nachher noch mit anderen Touristen eine Hundeschlittentour machte.
Er bekam den Scooter nach 20 Minuten wieder zum laufen, also konnte ich noch ein paar schöne Bilder in den Doggards machen.
Ich nahm auf dem Hinweg die genaue Entfernung. 18km bin ich gelaufen in 4 1/2 Stunden. Nicht schlecht die Zeit aber
jetzt brauche ich erstmal Urlaub vom Urlaub….
Zufahrtstrasse zu den Dogyards
Hundeschlittenspuren im Schnee
Und das wars dann schon. Heute ist der 31.12.2006 und morgen fahre ich schon wieder nach Hause.
Zum Abschluss noch ein Blick auf die nördlichste Tankstelle der Welt:
Und dann noch das ein und andere Bild vom new years eve.
So feiert man am Nordpol Silvester:
Tja … und dann sass ich im Flugzeug auf dem Weg nach Hause und es war das erste mal überhaupt, dass ich traurig war, von einem Ort wegfahren zu müssen.