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1.Juli 2002 – Flugzeugcrash über dem Bodensee

Heute habe ich mich mit einem Kollegen über Wahrscheinlichkeiten bei Unfällen unterhalten.

Ich bin ja so ein bisschen in dem Bereich beruflich unterwegs.

Dabei kamen wir auf den Crash am 1. Juli 2002 über dem Bodensee zu sprechen.

Er vertrat die Meinung, dass gar nichts passiert wäre, hätten alle Beteiligten der Technik vertraut.

Nun, ich habe mir überlegt, hier einen Teil des Unfallberichtes her zu kopieren um damit jedem selbst die Möglichkeit zu geben, sich Gedanken zu machen, wie er gehandelt hätte.
Insbesonderes Augenmerk sollte man auf die jeweiligen Uhrzeiten halten!

Wissenswert vorab ist, dass die Tupolew 5 Personen im Cockpit hatte (Pilot, Copilot, Ingenieur, Navigator, Instructor) und die Boing 2, den Piloten und den Copiloten, so wie es bei westlichen Flugzeugen seit Jahren üblich ist.

Der Unfallbericht beginnt mit der Boing und ich fange jeweils mittendrin an, weil der Unfallbericht doch sehr umfangreich ist.

Wichtige Abkürzungen:

PIC = Pilot in command (der, der nicht fliegt)
PF = Pilot flying (der, der fliegt)
VOR = Drehfunkfeuer
TCAS = Kollisionswarnsystem
kt = Knoten (1kt = 1,852km/h)
FDR = Flugschreiber
FL = Fluglevel, Angabe der Zahl * 100 = tatsächliche Flughöhe in Fuss (bsp. FL 300 = 30.000 Fuss =~ 10.000 Meter)

Boing

Mit der Identifizierung des Flugzeuges erfolgte eine Freigabe zum direkten Anflug des Drehfunkfeuers TANGO VOR sowie zum Steigen von FL 260 auf FL 320. Der PIC bat auf FL 360 steigen zu dürfen, was ihm knapp vier Minuten später um 21:26:36 Uhr genehmigt wurde. Um 21:29:50 Uhr erreichte das Flugzeug diese Flughöhe, ohne sie zu melden.
Um 21:34:30 Uhr übergab der Copilot dem PIC die Steuerung des Flugzeuges, um die Toilette, die sich in einer abgeschlossenen Zelle im hinteren Teil des Cockpits befand, aufzusuchen. Der PIC bestätigte um 21:34:31 Uhr die Übernahme.
Um 21:34:42 Uhr warnte das bordseitige TCAS mit einer Traffic Advisory (TA) „traffic, traffic“ die Crew vor möglichem Konfliktverkehr. Nach der TA wurden auf dem CVR klickende Geräusche festgehalten. 14 Sekunden später (21:34:56 Uhr) erhielt die Crew vom TCAS eine Resolution Advisory (RA) „descent, descent“.
Ca. zwei Sekunden später war der Autopilot (AP) ausgeschaltet, die Steuersäule gedrückt und die Leistung der Triebwerke reduziert. Anhand des FDR konnte eine Verringerung der Längsneigung des Flugzeuges von 2,5° auf ca. 1,5° sowie eine Reduzierung der vertikalen Beschleunigung von ca. 1.0 g auf 0.9 g festgestellt werden.
Gemäß FDR und TCAS-Aufzeichnung hatte das Flugzeug 12 Sekunden nach dem Abschalten des Autopiloten eine vertikale Sinkgeschwindigkeit von 1500 ft/min erreicht.
Um 21:35:05 Uhr zeichnete der CVR über das Mikrofon im Cockpit (Cockpit Area Microphone) die Bemerkung des Copiloten auf „Dort rechts ist der Verkehr“ („traffic right there”), was durch den PIC mit „Ja“ bestätigt wurde.
Um 21:35:10 Uhr, also 14 Sekunden nach der RA „descent, descent“, forderte das TCAS zum verstärkten Sinken („increase descent, increase descent“) auf.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Copilot seinen Arbeitsplatz wieder eingenommen und den Kopfhörer aufgesetzt. Von ihm wurde eine Reaktion auf die RA in Form der Bemerkung „increase“ aufgezeichnet. Nach dieser RA wurde die Sinkrate erhöht und erreichte 10 Sekunden später eine Sinkgeschwindigkeit von ca. 2600 ft/min. Dabei veränderte sich die Längsneigung des Flugzeuges auf –1° und die Triebwerksleistung wurde auf ca. 1,2 (EPR) reduziert.
Der CVR zeichnete um 21:35:14 Uhr ein akustisches Alarmsignal (Master Caution Aural Warning) für ca. zwei Sekunden auf.Gemäß FDR wurde die automatische Schubsteuerung der Triebwerke (Autothrottle) um 21:35:18 Uhr durch die Crew abgeschaltet.
Um 21:35:19 Uhr meldete die Crew an ACC Zürich „TCAS descent“. In der Folge forderte der Copilot seinen PIC zweimal zum Sinken auf. Einmal mit dem Wort „descent“ (21:35:26 Uhr) und dann mit „descent hard“ (21:35:30 Uhr).
Ca. 2 Sekunden vor dem Zusammenstoß wurde die Steuersäule bis zum Anschlag nach vorn bewegt.
Um 21:35:32 Uhr kam es auf einem nördlichen Kurs des Flugzeuges (MH = 004°) in einer Flughöhe von 34 890 Fuß (ft) bei einer negativen Längsneigung von ca. 2° ohne Querneigung zum Zusammenstoß mit der TU154M.

Tupolew

In der Zeit von ca. 21:33:00 Uhr bis 21:34:41 Uhr zeichnete der CVR Gespräche der Crew auf, die sich mit einem von links kommenden Flugzeug beschäftigten, das auf dem zum TCAS-System gehörenden Variometer (VSI/ TRA) dargestellt worden war. An den Gesprächen beteiligten sich bis auf den Flugingenieur alle Flugbesatzungsmitglieder. Der Aufzeichnung der Gespräche auf dem CVR ist zu entnehmen, dass sie bemüht waren, das andere Flugzeug hinsichtlich seiner Position und Flughöhe einzuordnen. Um 21:34:36 Uhr äußerte der Kommandant: „Hier ist er mit Sicht“, und zwei Sekunden später: „Hier, es zeigt Null an“.
In der Zeit von 21:34:25 Uhr bis 21:34:55 Uhr drehte das Flugzeug mit einer Querneigung von ca. 10° von einem missweisenden Steuerkurs (MH) 254° auf 264°.
Um 21:34:42 Uhr generierte TCAS eine TA („traffic, traffic“). Der CVR hielt fest, dass sowohl der Instruktor als auch der Copilot „traffic, traffic“ ausriefen.
Um 21:34:49 Uhr – also sieben Sekunden später – wies ACC Zürich die Crew an, zügig auf FL 350 zu sinken und wies dabei auf Konfliktverkehr hin (“… descend flight level 350, expedite, I have crossing traffic“). Noch während der Lotse die Anweisung aussprach – der Funkspruch dauerte knapp acht Sekunden – forderte der Instruktor den PF zum Sinkflug auf. Um 21:34:56 Uhr wurde die Steuersäule gedrückt, der Autopilot (Kanal für die Längsneigung) schaltete sich ab und die Leistung der Triebwerke wurde auf ca. 72 % (N1) reduziert. Anhand des FDR konnte eine Veränderung der Längsneigung des Flugzeuges von 0° auf ca. –2,5° sowie eine Reduzierung der vertikalen Beschleunigung von ca. 1 g (normale Erdbeschleunigung in der Nähe des Flugzeugschwerpunktes) auf 0,8 g festgestellt werden.
Die Anweisung zum Sinkflug wurde von der Crew verbal nicht bestätigt. Zur selben Zeit (21:34:56 Uhr) generierte TCAS eine RA („climb,climb“). Um 21:34:59 Uhr war auf dem CVR die Stimme des Copiloten mit der Bemerkung zu hören: „Es (TCAS) sagt  „steigen“. Darauf antwortete der PNF: „Er (ATC) fordert uns zum Sinken auf!“. Daraufhin der Copilot fragend: „Zum Sinken?“.

Um 21:35:02 Uhr (6 Sekunden nach dem Erhalt der RA „climb, climb“) wurde die Steuersäule durch den PF gezogen. Als Folge davon vergrößerte sich die Sinkgeschwindigkeit nicht mehr. Die vertikale Beschleunigung veränderte sich von 0,75 g auf 1,07 g. Im Zusammenhang mit dieser Steuereingabe wurde die Leistung der Triebwerke nicht verändert.
Um 21:35:03 Uhr wurden die Leistungshebel der Triebwerke weiter zurück gezogen.
Die Diskussion innerhalb der Crew wurde um 21:35:03 Uhr durch den Lotsen mit der erneuten Anweisung, zügig auf eine Flughöhe von FL 350 zu sinken (“… descend level 350, expedite descend”) unterbrochen. Sie wurde durch den PNF sofort bestätigt. Daraufhin informierte der Lotse, dass sich anderer Flugverkehr in der „2-Uhr-Position“ in FL 360 befände (“Ja,… we havetraffic at your 2 o’clock position now at 3-6-0”) und der rechts sitzende Flugzeugführer fragte: „Wo ist es?“, und der Copilot antwortete: „Hier, auf der linken Seite!“. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Sinkgeschwindigkeit des Flugzeuges ca. 1 500 ft/min.
Während der letzten Anweisung des Lotsen war auf dem CVR die Stimme des Flugnavigators mit der Bemerkung: „Es wird unter uns durchfliegen!“, zu hören.
Um 21:35:04 Uhr wurde der Kanal für die Querneigung des Autopiloten abgeschaltet.
Um 21:35:05 Uhr drückte der PF erneut die Steuersäule und die Sinkrate vergrößerte sich auf über 2 000 ft/min.
In der Zeit von 21:35:07 Uhr bis 21:35:24 Uhr erfolgte eine Kursänderung nach rechts von 264° auf 274° MH. Um 21:35:24 Uhr generierte TCAS eine RA „increase climb“. Der Copilot kommentierte diese Aufforderung mit den Worten: „Steigen, sagte es!“ („climb“).
Zum Zeitpunkt der RA „increase climb“ zeigt der FDR eine langsame Bewegung der Steuersäule in Richtung Sinken, was zu einer Veränderung des Längsneigungswinkel von –1° auf ca. –2° und zu einer Verringerung der vertikalen Beschleunigung führte. Die Sinkrate war ca. 1800 ft/min.
Fünf Sekunden vor dem Zusammenstoß wurde begonnen an der Steuersäule zu ziehen, einhergehend mit einer leichten Veränderung der Stellung der Leistungshebel der Triebwerke nach vorn.
Zwei Sekunden vor dem Zusammenstoß erreichte der Längsneigungswinkel –1° und die vertikale Beschleunigung 1,1 g.
In der letzten Sekunde vor dem Zusammenstoß wurde die Steuersäule ruckartig gezogen und die Leistungshebel der Triebwerke voll nach vorn geschoben.
Zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes war der Längsneigungswinkel 0°, die vertikale Beschleunigung 1,4 g, aber das Flugzeug befand sich noch im Sinkflug.

Das Flugzeug kollidierte mit einem Kurs von 274° und einer rechten Querlage von 10° um 21:35:32 Uhr in einer Flughöhe von 34890 Fuß mit der Boeing B757-200.
Nach der Kollision rollte die TU154M mit einer ansteigenden Rate um die Längsachse nach links. Gleichzeitig mit dieser Rollbewegung wurde ein Ausfahren des Querruderspoilers am rechten Tragflügel registriert. Der Längsneigungswinkel änderte sich innerhalb von ca. zwei Sekunden von 0° auf -6° und der Kabinendifferenzdruck sank innerhalb einer Sekunde nach der Kollision von 0,6 kg/cm2 auf einen Wert nahe 0 kg/cm2.

Flugsicherung Zürich

Während die TU154M seit geraumer Zeit in FL 360 flog, erhielt die Crew der B757-200 erst um 21:26:36 Uhr die Genehmigung auf diese Höhe zu steigen. Die B757-200 erreichte um 21:29:50 Uhr FL 360. Die Crew meldete die Einnahme dieser Flugfläche nicht; diese Meldung ist nicht vorgeschrieben.
Als die Crew der TU154M um 21:30:11 Uhr den ersten Funkkontakt mit dem ACC Zürich auf-nahm und dabei auch die Flughöhe meldete, fiel dem Lotsen nicht auf, dass die B757-200 so-eben dieselbe Höhe ereicht hatte und sich beide Flugzeuge im rechten Winkel aufeinander zu bewegten. Der Abstand beider Flugzeuge betrug noch ca. 64 NM zueinander. Wäre es ihm auf-gefallen, hätte er bereits in diesem Moment der Crew der TU154M die Anweisung geben kön-nen auf FL 350 zu sinken, zumal gemäß Kontrollstreifen ab dem VOR Trasadingen diese Höhe sowieso vorgesehen war.
Der Lotse war zu dieser Zeit intensiv mit dem Anflug eines verspäteten Airbus A320 auf den Flughafen Friedrichshafen beschäftigt, wozu er den Arbeitsplatz wechseln musste. Er versuchte mehrfach mit Friedrichshafen zu telefonieren, was durch einen technischen Fehler im Bypass-Telefonsystem nicht möglich war, ihn aber viel Zeit und Konzentration kostete. Eine Einbindung des SYMAs, der eine Ersatzlösung hätte anbieten können zog er nicht in Betracht, da er über die zusätzliche Anwesenheit eines SYMAs nicht informiert war.
So vernachlässigte er für einen gewissen Zeitraum die Führung der beiden anderen Flugzeuge. Durch die Nichtverfügbarkeit des optischen STCA wurde er vor der sich anbahnenden Kollisi-onsgefahr nicht gewarnt.
Als der Lotse um 21:34:49 Uhr die erste Anweisung an die Crew der TU154M gab, zügig auf FL 350 zu sinken, war die horizontale Staffelung von 7 NM praktisch schon unterschritten (exakt um 21:34:56 Uhr, dem Moment, als der Funkspruch zu Ende war).
Um 21:34:56 Uhr hätte die TU154M bereits auf FL 350 gesunken sein müssen, um den vertika-len Abstand von 1000 ft im RVSM-Luftraum zu gewährleisten. Um das zu erreichen, wäre es notwendig gewesen, spätestens um 21:33:49 Uhr – also 1 Minute früher als tatsächlich gesche-hen – die Anweisung zum Sinken auf FL 350 zu geben. Die Zeit ergibt sich aus einer üblichen Sinkgeschwindigkeit von ca. 1 000 ft pro Minute.
Als die Crew der TU154M auf die erste Anweisung zum Sinken auf FL 350 verbal nicht reagiert hatte, wiederholte der Lotse um 21:35:03 Uhr diese Anweisung mit mehr Nachdruck in der Stimme. Wie bei der ersten Sinkanweisung verwendete er den Begriff „expedite“. Der Zusatz „expedite“ signalisierte aber nicht, dass die Staffelung bereits unterschritten war. Auch die In-formation „I have crossing traffic“, die er bei der ersten Sinkanweisung verwandte, entsprach nicht der Dringlichkeit der Situation. Besser wäre das Wort „immediately“ anstelle von “expedite” gewesen. Eine exaktere Information über den Konfliktverkehr z.B.: „You have crossing traffic at 360 (or same level) in your 10 o´clock position“ oder „… from left to the right at 360 (or same level) distance: …….. NM”, wäre in Anbetracht der geringen Entfernung beider Flugzeuge (Ent-fernung noch ca. 5,5 NM) angemessener gewesen.
In seiner zweiten Anweisung hat der Lotse darüber hinaus noch eine fehlerhafte Angabe über die Position des Konfliktverkehrs gemacht, als er sagte: „Ja,… we have traffic at your 2 o’clock now at 360“. Tatsächlich befand sich die B757-200 in der 10-Uhr-Position. Damit hat er die Crew der TU154M kurzzeitig irritiert. Auch der Hinweis auf die Höhe des anderen Flugzeuges (now 360) war objektiv falsch, weil sich die B757-200 infolge des eingeleiteten Sinkfluges nach der TCAS-RA bereits in FL 356 befand. Das konnte der Lotse aber auf dem Monitor noch nicht ablesen, da für ihn erst bei der Radar-Bilderneuerung um 21:35:24 Uhr ein Sinken der B757-200 zu beobachten war. Bei der davor erfolgten Zielerneuerung um 21:35:12 Uhr war der dar-gestellte FL 359 noch innerhalb der Toleranzen.
Nachdem der Lotse den beginnenden Sinkflug der TU154M am linken Monitor (RP) abgelesen hatte, sah er das Problem als gelöst an und wandte sich wieder dem rechten Monitor (RE) zu. Anlass dafür war, dass die Crew des Airbus A320, der Friedrichshafen anflog, soeben auf 119.920 MHz wieder gerufen hatte. Auch auf dem rechten Monitor wurden die beiden Flugzeu-ge (B757-200 und TU154M) mit den dazugehörenden Daten dargestellt. Nur für das Senden auf den verschiedenen Frequenzen war ein Wechsel der Arbeitsposition (zwischen RP und RE) erforderlich.
Als der Lotse zum Arbeitsplatz RE wechselte, um sich dem A320 zuzuwenden, nahm dieser seine volle Aufmerksamkeit in Anspruch. So nahm er weder das Sinken der B757-200 noch den Funkspruch der Crew wahr, die um 21:35:19 Uhr einen TCAS-Sinkflug meldete.
Als der Lotse das Problem mit dem Airbus A320 gelöst hatte, konzentrierte er seine Aufmerksamkeit wieder auf die beiden Flugzeuge. Zu diesem Zeitpunkt war der Zusammenstoß bereits geschehen und er sah auf dem Radar-Monitor die TU154M rot dargestellt, was bedeutete, dass kein Radarsignal mehr empfangen wurde. Seine an die TU154M gerichteten Funksprüche um 21:36:01, 21:36:23 und um 21:37:17 Uhr blieben unbeantwortet. Die B757-200 wurde auf dem Radar-Monitor nicht mehr dargestellt; sie wurde vom Lotsen nicht mehr gerufen.
Die Einhaltung der vorgeschriebenen Staffelung hätte das Auslösen einer RA durch das TCAS und den Unfall sicher verhindert.
Der Lotse war allein für die gesamte Kontrolle des Flugverkehrs im Luftraum des ACC Zürich zuständig. Daraus ergab sich, dass er die Aufgaben des Radar-Planning (RP), Radar-Executive (RE) und der ARFA-Verkehrsleitung wahrnehmen musste. Darüber hinaus hatte er während der Nachtschicht in beschränktem Maße auch die Funktionen des Dienstleiters und des SYMA wahrzunehmen. Die Anwesenheit eines zusätzlich eingeteilten SYMA in dieser Nacht war dem Lotsen nicht bekannt.
Bei ordnungsgemäßer Wahrnehmung der Funktion RP hätte er den Konflikt zwischen der TU154M und B757-200 rechtzeitig erkennen und entsprechende Verkehrsregulierungsmaßnahmen einleiten können. Die Aufgaben gemäß ATMM ZC (ATM-Manual Zurich) sind im Kapitel 1.17.1 (Organisation des Nachtdienstes beim ACC Zürich) dieses Berichtes näher beschrieben.
Aufgabe des RP wäre es gewesen die Flugverlaufsdaten auf den Kontrollstreifen mit den aktuellen Positionen der Flugzeuge, dargestellt auf dem Radarmonitor, ständig zu analysieren und miteinander zu vergleichen. Die dafür benötigte Zeit hatte der Lotse nicht, da er mit dem Anflug auf Friedrichshafen voll beansprucht war. Die Delegierung der Koordinationsgespräche mit Friedrichshafen an die am Sektor anwesende CA, hatte er aus Zeitgründen nicht in Betracht gezogen.
Die BFU ist der Auffassung, dass der Lotse nicht in der Lage war, die ihm übertragenen und zusätzlich übernommenen Aufgaben sicher umzusetzen.
Ein Grund dafür lag in der sich aus der Dienstplanung ergebenden unzureichenden Besetzung mit Flugverkehrsleitern während des Nachtdienstes, die keine kontinuierliche Besetzung der Arbeitspositionen gewährleistete. Aufgabe der Führung und der Qualitätssicherung des Flugsicherungsunternehmens wäre es gewesen, diese Mängel zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu deren Abstellung zu ergreifen. Darüber hinaus duldeten die vorgenannten Institutionen die geübte Praxis der Durchführung des Nachtdienstes.
Ein weiterer Grund lag in der falschen Prioritätensetzung und der einseitigen Aufmerksamkeitsverteilung des Lotsen, der sich in eine Situation hineinmanövrierte, deren Gefährlichkeit er zunächst unterschätzte und dann nicht mehr beherrschte.

Quelle: Bundesamt für Flugunfalluntersuchung

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